Literaturunterricht – Drama, Baby! 

Klassische Literatur im Deutschunterricht: Dramen, Kurzgeschichten, Novellen. Die meisten Schüler können leider nicht besonders viel mit klassischer Literatur anfangen und häufig reicht es schon, wenn man die süßen, kleinen, gelben Reclam-Heftchen austeilt und die ersten Schüler verabschieden sich innerlich schon vom weiteren Unterrichtsgeschehen der nächsten Wochen.

Kleist, Goethe, Brecht, Schiller, Kafka. Keine leichte Kost! Und doch ist es notwendig und richtig, auch diese Klassiker zu lesen, zumindest am Gymnasium bzw. auf dem Erweiterten Niveau an der Gemeinschaftsschule. Sicher, es gibt immer Schüler, denen auch diese Art von Literatur gefällt, die allermeisten jedoch können herzlich wenig damit anfangen. Die Sprache zu schwer verständlich, der Satzbau zu komplex, „alte“ Wörter, die kein Mensch versteht und so weiter. Wenn schon lesen, dann lieber Harry Potter, Das Lied von Feuer und Eis oder Graphic Novels. Aber welcher Neunt- oder Zehntklässler liest schon gerne Schiller? Kabale und Liebe? Wenn wir ehrlich sind, keiner würde sich dafür entscheiden, wenn auch ein moderner Jugendroman zur Auswahl stünde.

Dichter und Denker. (Der) Richter und (sein) Henker. Die deutsche Kultur definiert sich auch über ihre literarischen Werke von Autoren, die mit ihrer Art zu schreiben die Literaturwelt verändert, auf den Kopf gestellt und weiterentwickelt haben. Diejenigen Schüler, die den Weg auf eine Universität einschlagen wollen, müssen dieses Kulturerbe, wenn auch nur in Ausschnitten, kennengelernt haben. Und das ist auch gut so.

Jetzt steh‘ ich da, mit meiner neunten Klasse und lese Kabale und Liebe. Dadurch, dass wir ab der neunten Klasse zieldifferente Inputgruppen haben, sitzen vor mir also ca. 20 Schüler, die auf Erweitertem Niveau arbeiten und nach der zehnten Klasse auf ein Gymnasium wechseln wollen. Also her mit den Klassikern! Letztes Schuljahr habe ich bereits das Drama eingeführt, anhand der Komödie Der Geizige von Moilère. Eine Komödie als Einstieg in die Dramenwelt erschien mir motivierender als der Klassiker in der achten Klasse, Wilhelm Tell. Dieses Jahr geht es aber ans Eingemachte und Schiller muss dafür herhalten.

Klar, die Sprache ist schwer verständlich. Adel in seiner damaligen Form spielt in unserer Gesellschaft kaum noch eine Rolle. Heiraten über soziale Schichten hinweg ist heutzutage nichts Ungewöhnliches und dass Politiker für ihren Machteinfluss über Leichen gehen (im übertragenen Sinne) ist an der Tagesordnung. Und trotzdem ist dieses Stück modern, in gewissem Maße. Sturm und Drang steckt in den pubertierenden Teenagern in jeder Faser ihres Körpers. Liebe, Verschwörung und Hass kennen sie auch zur Genüge. Die Frage ist nur, wie kann man ein Werk, das vor einigen hundert Jahren so aufrührerisch war, dass sein Verfasser vor den Autoritäten fliehen musste auch heute noch so spannend und motivierend aufbereiten, dass auch 2017er Kids es verstehen?

Sinnvoll ist es sicherlich, den Inhalt vorzuentlasten, sodass die Klasse bereits einen groben Überblick über die Handlung gewinnt und dadurch auch sprachlich schwierige Passagen ohne Frust übersteht. Eine Möglichkeit besteht darin, vereinfachte Texte zu verwenden. Diese gibt es zu vielen Klassikern und werden von verschiedenen Verlagen angeboten. Für mich als Germanist stellen sich natürlich die Nackenhaare auf, wenn ich so etwas sehe, aber wahrscheinlich gibt es einige Kollegen, die denken, diese Art von Text wäre motivierender für ihre Schüler und lieber modernisierte Klassiker, als gar keine. Das ist für mich ein absolutes No-Go, aber irgendwie scheinen diese modernisierten Texte ja auch ihre Daseinsberechtigung zu haben.

Eine andere Möglichkeit ist es, den Inhalt soweit zu veranschaulichen, dass die Schüler auch den Originaltext lesen und trotzdem verstehen können. Von Reclam gibt es da eine, wie ich finde, recht interessante Herangehensweise von Sommers Weltliteratur to go. Hier werden, ganz im Stile von Harald Schmidt, Klassiker mit Playmobilfiguren nachgespielt und dabei im etwas saloppen Ton, vom Erzähler die Handlung erzählt.

KABALE UND LIEBE von Sommers Weltliteratur to go:

Diese unterhaltsamen Videos haben eine Laufzeit von ca. 10 Minuten pro Film und geben einen groben Überblick über die Handlung und die auftretenden Figuren. Selbstverständlich ersetzen sie nicht die Auseinandersetzung mit dem Text, aber sie können zu Beginn, am Ende oder auch während einer Unterrichtseinheit eingesetzt werden und meine Schüler lieben sie. Textanalyse, Charakterisierungen, Rollenspiele, kreative Schreibaufgaben etc. müssen selbstverständlich Teil eines guten Drama-Unterrichts sein, aber wenn es schon am einfachen Verständnis der Handlung fehlt, kann man sich alle anderen Ansätze, sich mit dem Werk auseinanderzusetzen, sparen. Gerade so beliebte Klassiker wie Kabale und Liebe werden ja auch häufig am Theater aufgeführt, was sicherlich immer zu empfehlen wäre, wenn man das Stück im Unterricht behandelt. Leider haben nicht alle Schulen in unmittelbarer Umgebung die Möglichkeit, einen Theaterbesuch auf die Beine zu stellen, aber dort wo es möglich ist, sollte man es in Anspruch nehmen.

Meiner Erfahrung nach kommt Kabale und Liebe eigentlich immer ganz gut an und eignet sich hervorragend dazu, die historischen und gesellschaftlichen Umstände näher zu beleuchten und auch den Sturm und Drang zu behandeln, der meiner Ansicht nach, die Epoche ist, mit der moderne Teenager doch etwas anfangen können: gegen die Konventionen, gefühlsbetont, freiheitsliebend, auflehnend, revolutionär! Hier lässt sich eventuell auch ein fächerverbindender Unterricht mit dem Geschichtskollegen abstimmen, was motivierend ist und weiteres Interesse auf Schülerseite weckt. Insgesamt sollten wir darauf achten, dass Werke nicht isoliert behandelt werden, sondern den Schülern so viel Hintergrundwissen wie möglich mitzugeben, sodass sie erkennen können, warum ein Werk so ist wie es ist. Welche gesellschaftlichen Umstände herrschten damals vor? Wie lebte der Autor? Was spielte sich damals in der Welt ab? Gibt es eventuell historische Personen, die den Figuren als Vorbild dienen? Welche Ansichten hatte der Autor zu diesen oder jenen Themen? Und so weiter, und so fort. Denn nur, wenn die Schüler solche Informationen bekommen, haben sie die Möglichkeit, das Werk wirklich zu verstehen und richtig einzuordnen.

Wie gehst du vor, wenn du Klassiker unterrichtest? Was sind deine Tipps, dass ein Literaturunterricht funktioniert? Welche Werke liest du mit deiner Klasse? Ich freue mich auf deine Kommentare!

6 Gedanken zu “Literaturunterricht – Drama, Baby! 

  1. Ich denke, dass gerade im Deutschunterricht die balance gefunden werden muss. Also nicht nur Klassiker lesen, sondern auch etwas, was aktueller bzw. Neuer ist. Wir haben damals in der Mittelstufe nur Klassiker gelesen und ich habe zumindest zu denen gehört, die einiges davon gerne gelesen hat (Dürrenmatt und E.T.A. Hoffmann). Mit anderem kam ich har nicht zurecht (Kleist!). Trotzdem gehört es zur Bildung, besonders am Gymnasium dazu. Gleichzeitig sollte man mit aktuelleren Werken auch die lesemotivation versuchen zu wecken. Wobei ich das im Englischunterricht leichter finde. Viele greifen dann doch auf Übersetzungen zurück und ob das so toll ist weiß ich nicht. Oder Lektüren die grade im Kino/TV aktuell ist. Ich habe vor einem Jahr 13 reasons why mit einer Klasse gelesen. Jetzt würde ich es nicht unbedingt lesen. Zu meiner Schulzeit haben alle den Vorleser gelesen (ich fands trotzdem gut ;)) ein Jahr später das Parfum.

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    1. Absolut! Die richtige Mischung macht’s. Man sollte nur keine Angst haben, die Klassiker auch zu lesen und nicht nur zeitgenössische Literatur.

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  2. Man kann im Prinzip alles mit Schül_erinnen lesen. Wichtig ist doch, gerade auf die Schwierigkeiten einzugehen, nämlich, weshalb fällt es mit schwer, Goethe oder Kleist zu verstehen? Weil die Sprache eine andere ist – weshalb ist das so? Und wo genau liegen die Unterschiede? Und vor allem die Frage klären: warum lesen wir heute noch Klopstock (und zwar auf keinen Fall so: „Weil es auf dem Lehrplan steht“)? Die grundlegenden Themen, die uns Menschen beschäftigen, sind doch seit Jahrhunderten die Gleichen. Liebe, Macht, Religion etc.! Wenn das erst einmal verstanden ist, kann man gemeinsam die sprachliche Barriere überwinden. Die Kids von heute haben häufig eine totale „Konsumhaltung“ was Literatur angeht, das heißt, sie lesen ein Buch, um unterhalten zu werden. Ein solches „Genusslesen“ funktioniert natürlich nur, wenn man die Sprache und ihre Feinheiten und Rafinessen versteht. Hierfür gibt es den Unterricht, in dem gemeinsam diskutiert und analysiert wird. Also mein Credo: 1. immer einen Lebensweltbezug herstellen, damit nachvollziehbar ist, was den Autor und die Protagonisten bewegt, 2. erklären, weshalb auch „ältere“ Literatur lesenswert und von Bedeutung für uns 3. Besonderheiten von Sprache thematisieren, um Barrieren abzubauen.
    Dann kann das richtig Spaß machen! 😉

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